Tierschutzprozess 5. Tag
Mittwoch 10. März 2010
Inhalt:
Am heutigen Tag wurde der Hauptangeklagte und angebliche Chef der angeblichen kriminellen Organisation bereits den 4. Tag vernommen. Da die Vernehmungen jeden Tag insgesamt etwa 5½ Stunden dauern, ist DDr. Balluch am Ende dieses Tages bereits zusammen 22 Stunden vernommen worden. Im Großen und Ganzen wurden ihm dabei fast ausschließlich Emails vorgehalten, die er auf einem Internetforum gepostet haben soll. Das zentrale Thema aller bisherigen Fragen war also DDr. Balluchs Gesinnung.
So auch heute. Zunächst wurde allerdings wieder einmal von der Verteidigung der Antrag gestellt, dass die Angeklagten einen Laptop benutzen dürfen. Der Akt sei mit 200.000 Seiten so umfangreich und überdies mehrheitlich vom Gericht in elektronischer Form übergeben worden, sodass die Angeklagten auch nur über einen Laptop auf diese Informationen zugreifen können. Abgesehen davon stünde in der Strafprozessordnung StPO, dass die Angeklagten sich selbst verteidigen könnten und die AnwältInnen nur den rechtlichen Beistand für diese Verteidigung bieten. Sie könnten sich aber nicht selbst verteidigen, wenn sie nicht während des Prozesses in den Akt Einsicht nehmen können, um Fragen zu formulieren oder Feststellungen zu verlangen. Im Sinne der Waffengleichheit zwischen Anklagebehörde und Angeklagten müsse also der Zugang zum Akt gewährt werden.
Die Richterin lehnte diesen Antrag aber erneut ab. Sie würde an den Antworten von DDr. Balluch erkennen, dass er sich an seine Verteidigungsschrift halte, und daher sehr gut über den Akt bescheid wüsse. Sie sei bereits sehr kulant, den AnwältInnen den Zugang zu Laptops zu gewähren. Das wäre an und für sich nicht vorgesehen. Die Angeklagten könnten auch jederzeit ihre AnwältInnen fragen und am Ende des Prozesstages in den eigenen Laptops nachschauen und am nächsten Tag die Fragen nachreichen.
Der Anwalt vom VGT-Geschäftsführer Harald Balluch, nämlich Dr. Harald Karl, wandte ein, dass er erst seit sehr kurzer Zeit die anwaltliche Vertretung übernommen habe, weil sein Mandant erst 2 Wochen vor Prozessbeginn von der Anklage informiert worden sei, und dass er den Akt nur in digitaler Form habe. Sein Mandant könne also in keinem Fall während des Verfahrens etwas im Akt nachschauen, weil er keine Aktenordner habe. Deshalb solle das Gericht für die Angeklagten den gesamten Akt in Form von Aktenordnern während des Verfahrens zum spontanen Nachlesen zur Verfügung stellen. Die Richterin lehnte aber auch diesen Antrag ab bzw. gestattete dem Anwalt, in Eigeninitiative den 200.000 Seiten starken elektronischen Gerichtsakt in Papierform auszudrucken und seinem Mandanten in den Gerichtssaal mitzubringen.
Etwa 5 Angeklagte gingen daraufhin zu ihrer Anwältin, um sich zu besprechen, und diese beantragte eine kurze Pause. Die Richterin unterbrach deshalb die Sitzung von 9:14 Uhr bis 9:20 Uhr.
Dietriche und Sperrwerkzeug
Dann begann die Befragung von DDr. Balluch. Man hätte im Büro des VGT ein Set für sogenanntes Sperrwerkzeug gefunden, also eine Gumminoppe zum Öffnen von Kippfenstern und Dietriche zum Aufsperren verschlossener Türen. DDr. Balluch meinte dazu, dass man damit versperrte Türen öffnen könne, ohne diese Türen in irgendeiner Form zu beschädigen. Das würde dazu dienen, in versperrten Tierfabriken Aufnahmen der Zustände zu erstellen.
Ob er das nicht als widerrechtliches Eindringen
empfinde, fragte die Richterin. Stellen Sie sich vor, jemand dringt in eine Wohnung ein, um dort zu filmen, fügte sie hinzu. Es bestünde ein Unterschied im subjektiven persönlichen Bedürfnis zu wissen, was in einer Wohnung von statten ginge, und dem berechtigten öffentlichen Bedürfnis zu wissen, was in Tierfabriken passiert. Immerhin müsste die Bevölkerung ja demokratisch darüber entscheiden können, ob diese oder jene Zustände in Tierfabriken erlaubt bzw. verboten sein sollen oder nicht.
Ob DDr. Balluch das als verhältnismäßig empfinden würde, auf diese Weise in Tierfabriken einzudringen. Unter den insbesondere in seinem Buch Widerstand in der Demokratie
angegebenen Bedingungen wäre es sehr wohl verhältnismäßig, antwortete dieser. Abgesehen davon wäre keine der Straftaten, die der Staatsanwalt in seinem Strafantrag dieser angeblichen kriminellen Organisation zuordnen würde, mittels Sperrwerkzeug der angegebenen Art durchgeführt worden.
Run-in
Nun wollte die Richterin wissen, ob DDr. Balluch an Run-ins teilgenommen hätte. Ja, habe er, meinte DDr. Balluch, z.B. bei P&C zusammen mit Dr. Madeleine Petrovic, der Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins und Landtagsabgeordneten der Grünen in NÖ. Was wäre ein Run-in?, fragte die Richterin. Im Beispiel des P&C wäre das eine unangemeldete Demonstration in den Geschäftsräumen gewesen, wobei die AktivistInnen Pelz trugen, der mit Kunstblut verziert war. Diese Aktion diene dazu, den Fokus der Öffentlichkeit auf den Pelzverkauf zu richten. Beim Run-in in P&C wären die Medien anwesend gewesen.
Anschließend wurde DDr. Balluch ein Email von Fadinger-Internetforum vorgelegt, in dem er zu einem Run-in aufrufe.
Und wieder: die Arkangel Webseite
DDr. Balluch hatte bereits mehrmals angegeben, für die Webseite www.arkangelweb.org Berichte geschrieben zu haben. Für diese Seite wurden auch Webausdrucke vorgelegt, die bewiesen, dass dabei keine kriminellen Handlungen dargestellt oder beworben worden waren. Die Richterin legte aber jetzt ihrerseits einen Webausdruck dieser Webseite vor, wie sie heute aussieht. Und dabei fanden sich Erklärungen, was die ALF sei. Sie warf dies in recht aggressivem Ton DDr. Balluch vor.
Dieser fragte auch gleich, warum die Richterin plötzlich einen aggressiven Ton anschlage, als hätte sie ihn bei einer Lüge überrascht. Das wäre aber nicht der Fall. Zu der Zeit, zu der DDr. Balluch Beiträge für diese Webseite geschrieben habe, sei sie von jemandem anderen betrieben worden und hätte ganz anders ausgesehen und ganz andere Inhalte gehabt. So hätte es damals für jedes Land eigene Subseiten gegeben und nur für die Österreich-Seite hätte DDr. Balluch seine Berichte geschrieben.
Rechtsbeistand für andere AktivistInnen
Nun las die Richterin mehrere Emails vor, die DDr. Balluch Anfang 2006 geschrieben habe und in denen er andere AktivistInnen dazu aufrufe, sich bei ihm zu melden, wenn sie wegen einer VGT-Besetzungsaktion des Krebsforschungszentrums in Wien angezeigt würden. Warum es erforderlich sei, sich bei DDr. Balluch zu melden, fragte die Richterin. Das wäre normal nach VGT-Aktionen, weil er, um Rechtsanwaltskosten zu sparen, in diesen Fällen meist selbst die Verteidigung koordinieren würde.
In weiteren Emails von DDr. Balluch war die Rede davon, dass bei Strafverfügungen wegen Jagdstörungen gemeinsam ein Einspruch erarbeitet werden müsse. Ob das Anweisungen wären, wie man sich der Behörde gegenüber verhalten solle. Dazu müsse man differenzieren, meinte DDr. Balluch. Bei Verfahren gegen AktivistInnen als Beschuldigte, würde er als deren Rechtsvertretung sie zu ihrer besten Verteidigungsstrategie beraten, was er quasi als Rechtsanwalt täte und wofür er daher auch in Anspruch nehme, dass seine Verteidigergespräche nicht abgehört würden. Immerhin dürfe man zur eigenen Verteidigung auch lügen. Anders sei der Fall bei Zivilklagen, wo es um Zeugenaussagen ginge. Natürlich würde er niemandem raten, falsch auszusagen. Aber es wäre trotzdem wichtig für ZeugInnen zu wissen, um was es ginge und was für Fragen sie erwarte. Bei einem Verfahren hätte es eine Richterin gegeben, die Jägerin war, und die alle ZeugInnen für unglaubwürdig hielt, die davon sprachen, dass die JägerInnen angeschossene Fasane erwürgen statt sie mit dem Messer zu töten. Laut DDr. Balluch wäre aber das Erwürgen normal und eine Tatsache, trotzdem wäre es daher bei einer solchen Richterin nicht angezeigt, diesen Vorgang zu erwähnen. Es ginge also nicht darum falsche Aussagen zu machen, sondern gewisse Punkte nicht zu erwähnen, um eine wahre Aussage in den Augen der Richterin glaubwürdiger zu machen.
Auch an dieser Stelle war die Richterin sehr ungehalten und meinte, DDr. Balluch solle nicht herumreden, es ginge jetzt nicht um den letztgenannten Prozess. Doch DDr. Balluch blieb im Allgemeinen trotz dieser ständigen Unterbrechungen seines Redeflusses sehr ruhig und blieb dabei, die Umstände deutlich zu erklären.
In einem Email einer deutschen Tierschützerin, das jetzt vorgelegt wurde, zitierte diese einen deutschen Aktivisten von einer Diskussion auf einer deutschen Internetplattform. Dort stand, dass ein österreichischer Aktivist abgehört und überraschend von der SOKO befragt und DNA getestet worden sei. In einer solchen Situation solle man nicht mit der Polizei kooperieren sondern sich sofort an den Autor dieses Emails oder DDr. Balluch in Österreich wenden. Wieso, fragte die Richterin, wäre DDr. Balluch in einem deutschen Email als Kontakt in einem solchen Fall angegeben? Dazu meinte DDr. Balluch, dass er weder dieses Email noch die genannten beiden Personen kenne. Er unterschreibe aber deren Empfehlungen. Das deshalb, weil der Polizei bei Verfolgungshandlungen aufgrund politischer Vergehen nicht zu trauen wäre. Die SOKO im vorliegenden Fall habe Entlastendes konsequent verschwiegen und Belastendes völlig aufgebauscht. So hätte die SOKO ein Alibi von DDr. Balluch einfach ignoriert und niemals erwähnt oder überprüft. Im Fall, der in den genannten Emails beschrieben war, ging es um einen Tierschützer, der von der Polizei zunächst observiert, abgehört und verhört wurde, gegen den das Verfahren aber schon seit langem eingestellt sei. Das beweise, dass die Polizei politisch aktive Personen oft sehr leichtfertig verdächtige und verfolge, weshalb gegen Polizeimaßnahmen sehr viel Misstrauen angebracht wäre.
Ein weiteres Email wurde vorgelegt, diesmal vom Bruder des Befragten. Dieser würde dafür plädieren, bei Aussagen vor Gericht den Fokus statt auf die Wahrheit auf die Glaubwürdigkeit zu legen. Solle das heißen, meinte die Richterin, dass es besser wäre zu lügen als die Wahrheit zu sagen? Nein, sagte DDr. Balluch dazu. Es handle sich zwar um ein Email von seinem Bruder und nicht von ihm selbst, aber dem Email sei klar zu entnehmen, dass es dem Autor um Gerechtigkeit ginge. Das Ziel sei nicht, ein Fehlurteil zu erreichen, sondern ein richtiges Urteil. Es gäbe bittere Erfahrungen in der Tierschutzbewegung, wo Gewalttäter freigesprochen wurden, weil eine eigentlich wahre Aussage nicht glaubwürdig klang. Deshalb solle das Augenmerk auf Glaubwürdigkeit gelegt werden.
Und wieder: die SHAC Kampagne
Der Staatsanwalt nutzte sein Fragerecht, um einmal mehr über die SHAC-Kampagne zu sprechen. Was SHAC eigentlich bedeute, wollte er wissen. Das sei eine Kampagne gegen Europas größtes kommerzielles Tierversuchslabor, erläuterte DDr. Balluch, die weltweit in über 100 Ländern durchgeführt werde. An sich wäre sie völlig legal, auch wenn einzelne Personen für dasselbe Kampagnenziel irgendwann und irgendwo Straftaten durchgeführt hätten.
Sachschäden wären also keine Taktik von SHAC, fragte der Staatsanwalt. Nein. SHAC wäre nur ein Kampagnenname und keine Gruppe.
Der Gründer der SHAC-Kampagne hieße Greg Avery, meinte der Staatsanwalt, und fragte DDr. Balluch, ob er diesen kenne. Das wurde verneint. Der Staatsanwalt legte daraufhin Emails von 1998 vor, in denen DDr. Balluch Greg Avery als alten Haberer
bezeichnet hätte. In einem anderen Email wäre von einem Strafprozess von 1996 die Rede, in dem Greg Avery freigesprochen worden war. Das sei lange her, meinte DDr. Balluch. Er habe nur salopp von Greg Avery als Haberer gesprochen, obwohl er mit ihm persönlich nichts zu tun gehabt hätte. Aber auf Tierschutzaktionen, wie gegen eine Hundehetzjagd, würde man sich treffen und das schweiße zusammen. DDr. Balluch habe nie in einem Prozess mitgewirkt, der gegen Greg Avery geführt worden wäre.
Weiters wollte der Staatsanwalt wissen, ob DDr. Balluch Heather Nicholson, eine englische Aktivistin in der SHAC-Kampagne, und John Curtin, einen ehemaligen ALF-Aktivisten, kenne. Erstere wäre einmal bei einer Vortragstour durch Europa in Österreich vorbeigekommen. Dabei habe sie aber nicht über kriminelle Handlungen gesprochen. John Curtin wäre DDr. Balluch etwas besser bekannt, er war auch schon in Österreich zu Besuch.
Aktionsberichte in Emails von DDr. Balluch
Nun ergriff wieder die Richterin das Wort und wollte wissen, warum DDr. Balluch im Jahr 2003 einen Bericht über mehrere große Demonstrationen in Holland auf dem Fadinger-Internetportal verbreitet hätte, obwohl es dabei zu Sachbeschädigungen und Tierbefreiungen gekommen sei. Das wäre die Übersetzung eines englischen Berichts, den er lediglich zur Information weitergeleitet habe. Dazu stünde in der ersten Zeile, dass er betone, selbst mit diesen Aktionen nichts zu tun zu haben.
Ein weiteres Email von DDr. Balluch enthielt einen Bericht von einer VGT-Besetzung des Krebsforschungsinstituts im Jahr 2003. Es ging dabei um mögliche Anklagen. Einer der Verteidiger meldete sich hier zu Wort und fand es bedenklich, dass schon mehrmals Sachverhalte thematisiert worden wären, die zu Freisprüchen geführt hätten. Das Thema wäre nicht die Aktion, meinte die Richterin, sondern DDr. Balluchs Beschreibung derselben und seine Intention, derartige Emails zu verbreiten. Der Verteidiger Mag. Bischof beantragte daraufhin, Vorfälle, die bereits Gegenstand von erledigten Strafverfahren waren, nicht mehr zu thematisieren. Die Richterin lehnte diesen Antrag ab.
Dazu meinte DDr. Balluch, dass ihm auffalle, dass in seiner 4-tägigen Befragung eigentlich nur Emails vorgelegt würden, die seine Meinung widergeben sollen, obwohl sie im emotionalen Zustand im persönlichen Rahmen geschrieben worden sind. Z.B. würde im vorliegenden Emails stehen, es gäbe eine Anklage, obwohl es nie eine Anklage in diesem Fall gegeben habe. Das beweise, dass derartige Emails nicht für bare Münze zu nehmen seien, sondern eine Emotion ausdrücken und das Ziel haben, im Empfänger etwas Bestimmtes auszulösen. Ihr Wahrheitsgehalt sei dann sekundär. Die Polizei solle, statt jahrelang Tausende Emails zu lesen, selbst recherchieren und unabhängige Fakten vorlegen. Die VGT-Besetzung dieses Tierversuchslabors wäre eine klassische Aktion des zivilen Ungehorsams gewesen. DDr. Balluch wäre persönlich im Labor geblieben und hätte ein Transparent mit dem VGT-Logo aus dem Fenster gehalten. Nichts an dieser Aktion sei heimlich oder kriminell gewesen.
Ob es ein Interesse der AktivistInnen gäbe, bei derartigen Aktionen keine Spuren zu hinterlassen. Natürlich würden viele AktivistInnen lieber anonym bleiben, meinte DDr. Balluch zu dieser Frage, weil sie sonst Schwierigkeiten bekommen könnten. Der oben genannte Tierschützer wurde monatelang verfolgt. Und eine Tierschützerin wollte sich bei der Polizei für einen Job bewerben, wurde aber abgelehnt, weil sie, wie ihr gesagt wurde, bereits 18 Mal auf Tierschutzdemonstrationen gewesen wäre. Dasselbe gelte für Personen, die RichterInnen werden wollen. Auch da gibt es zwei Beispiele von Personen, die aufgrund ihres Tierschutzaktivismus diesen Beruf nicht mehr ergreifen konnten.
Kampagnen gegen Tierversuche
An dieser Stelle konnte erstmals an diesem Tag ein Verteidiger den Beschuldigten befragen. Er wollte wissen, ob der VGT eine SHAC-Kampagne durchgeführt hätte. Das wäre nicht so gewesen. Zum Beweis wollte DDr. Balluch die Tätigkeitsberichte des VGT für die Jahre 2003 bis 2008 vorlegen, was die Richterin zunächst unterbinden wollte. Der VGT sei nicht die kriminelle Organisation. Daraufhin argumentierte der Verteidiger, dass aber im Strafantrag öfter Aktionen und Demonstrationen des VGT als Tätigkeiten der kriminellen Organisation bezeichnet werden.
Daraufhin fragte die Richterin DDr. Balluch, ob er gegen alle Tierversuche wäre. DDr. Balluch erklärte wieder, dass sein ethisches Ideal das Ende aller Tierversuche sei, dass er aber auf dem Weg dorthin pragmatische Zwischenschritte als Ziele seiner politischen Kampagnen anpeile. Ob DDr. Balluch für Aktionen und Kampagnen gegen Tierversuchslabors wäre. Das sei natürlich der Fall, meinte dieser. Allerdings wären nicht alle Kampagnen gegen Tierversuche mit der SHAC-Kampagne identisch, wie das der Staatsanwalt behauptet. Die SHAC-Kampagne richte sich nur gegen Europas größtes kommerzielles Tierversuchslabor HLS. Die vom Staatsanwalt genannten Aktionen der angeblichen kriminellen Organisation, die eigentlich Aktionen des VGT waren, wären Besetzungen vom Krebsforschungsinstitut in Wien und von der Konrad-Lorenz Forschungsstelle in Grünau in OÖ gewesen. Auch die Demonstration gegen den Leiter einer biomedizinischen Forschungsstelle, die der Staatsanwalt als SHAC-Aktion der kriminellen Organisation anführe, wäre eine normale und legale Demonstration des VGT gewesen und hätte nichts mit der SHAC-Kampagne zu tun.
Später konnte der Angeklagte dann die Tätigkeitsberichte des VGT vorlegen und dadurch beweisen, dass der VGT keine SHAC-Kampagne geführt habe.
An dieser Stelle war der Verteidigung nicht klar, welcher Anklagepunkt gerade verhandelt würde, ob es sich um den Vorwurf, die SHAC-Kampagne unterstützt zu haben, handle. Ich bin auch bei SHAC
, antwortete daraufhin die Richterin, worauf der Gerichtssaal lachte, weil der Staatsanwalt ja behauptet hatte, die kriminelle Organisation hätte den Namen SHAC. Auf dieses Missverständnis aufmerksam geworden, meinte die Richterin, nein, sie sei nicht bei SHAC. Dazu sagte DDr. Balluch: Und dieses Faktum teilen Sie mit allen Angeklagten hier im Raum.
Fragen der Verteidigung
Jetzt konnten die AnwältInnen der Angeklagten einige Fragen stellen. Ob DDr. Balluch, wie die Anklage behaupte, durch Bewerben strategischer Sitzungen eine kriminelle Organisation gefördert habe, und ob er ausländische AktivistInnen in kriminelle Kampagnen eingebunden hätte und ob er Mitglied einer kriminellen Organisation sei. All dies verneinte der Angeklagte.
Verteidiger Mag Bischof fragte dann, ob der Angeklagte glaube, dass eine kriminelle Organisation legale Demonstrationen anmelde. Nein, antwortete dieser, es gäbe keine kriminelle Organisation im Tierschutz.
Um 10:52 Uhr wurde eine kurze Pause ausgerufen.
Und wieder SHAC
Um 11:09 Uhr ging die Befragung weiter. Jetzt wollte der Staatsanwalt wissen, ob es SHAC-Aktionen in Österreich gegeben habe. Ja, meinte DDr. Balluch dazu, und er habe an legalen Demonstrationen im Rahmen der SHAC-Kampagne teilgenommen. Ob das nicht ein Widerspruch zur vormaligen Aussage von ihm sei, fragte der Staatsanwalt, dass der VGT keine SHAC-Kampagnen durchgeführt habe. Nein, sagte dazu DDr. Balluch, das sei kein Widerspruch. Der VGT habe lediglich ab und zu mittels einzelner Demonstrationen die internationale SHAC-Kampagne unterstützt, aber selbst keine eigene SHAC-Kampagne durchgeführt, wie aus den Tätigkeitsberichten des Vereins eindeutig abzulesen sei.
Der Staatsanwalt legte daraufhin Emails von DDr. Balluch vom Fadinger-Internetforum vor, in dem von Demonstrationen gegen SHAC die Rede wäre. Dazu meinte DDr. Balluch, er habe nur an legalen Demonstrationen teilgenommen. Aber dem gezeigten Email sei auch zu entnehmen, dass zwei bezahlte Schläger einer Pharmafirma zu dieser Zeit gewaltsam ins Büro des VGT in Wien eingedrungen seien und die beiden anwesenden Frauen bedroht und dazu zu nötigen versucht hätten, keine Demonstrationen gegen Tierversuche mehr durchzuführen.
Besuch ausländischer AktivistInnen
Ob der VGT ausländischen AktivistInnen Übernachtungsmöglichkeiten geboten hätte, wollte die Richterin wissen. Es sei normal, TierschützerInnen aus dem Ausland, die zu Besuch in Österreich wären, eine Übernachtungsmöglichkeit zu bieten, auch wenn man sie nicht kenne, meinte dazu DDr. Balluch. Aber das wäre privat und hätte mit dem VGT nichts zu tun. So etwas sei aber durchaus üblich und würde im Jargon Tierrechtstourismus
genannt. TierschützerInnen reisen von Stadt zu Stadt, helfen bei Demonstrationen und können dafür im Gegenzug bei lokalen TierschützerInnen übernachten. Man kennt sich nicht, schließt nur via Internet Kontakt, und fragt nicht einmal nach dem Namen.
Tierversuche
Die Richterin legte als nächstes einen Polizeibericht vor. Darin stand, dass im Jahr 2008 unbekannte Personen eine mit Superkleber kontaminierte Zahnpasta an die Behörde geschickt hätte, aber ohne Geldforderung. Dazu gab es einen Drohbrief, der davon sprach, dass andere Tuben, die in Geschäften zum Verkauf ausliegen würden, ebenfalls kontaminiert wären. Die Behörde reagierte nicht darauf. Später wäre auf einer Webseite in den USA auf Englisch gelesen zu wesen, dass jemand mit dieser Aktion KundInnen von HLS hätte schädigen wollen. DDr. Balluch meinte dazu, dass die Polizei diese Aktion geheim gehalten hätte und er erstmals in der U-Haft davon erfahren habe. Er hätte damit natürlich nichts zu tun.
Dann wollte die Richterin wissen, ob DDr. Balluch Pharmafirmen für Tierversuche verantwortlich mache. Das wäre keine persönliche Ansicht sondern ein Faktum. Pharmafirmen würden sehr viele Tierversuche durchführen.
Nun wurden DDr. Balluch zwei weitere Emails vorgehalten. In einem hätte er im Rahmen einer internationalen SHAC-Aktionswoche zu einer legalen Demonstration in Wien eingeladen. Das wäre, wie bereits erwähnt, ein Solidaritätsbeitrag für diese internationale Kampagne gewesen, aber, wie gesagt, eine völlig legale Demonstration. In einem zweiten Email solle DDr. Balluch das lange Bekennerschreiben auf Englisch für einen Bombenanschlag in den USA auf das Fadinger-Forum weitergeleitet haben. Das würde beweisen, meinte DDr. Balluch, dass er derartige Emails als Information weiterleite, ohne sich damit zu identifizieren oder die Aktion auch nur für gut zu befinden. Das gesamte Email wurde dann vorgelegt und es war sehr lang. Darin wurde auch von Aktivitäten indianischer AktivistInnen in Mittelamerika berichtet, von Aktionen der ETA in Spanien, von der IRA in England, von Aktionen Homosexueller und Frauen gegen gewalttätige Angriffe. Teile des Emails waren auf Spanisch.
Wer kennt Ronny Lee?
Der Staatsanwalt wollte von DDr. Balluch wissen, ob er den angeblichen Gründer der ALF, Ronny Lee, persönlich kenne. Ja, meinte dieser, aber nicht wirklich als Bekannter. Dazu legte der Staatsanwalt ein Email von 1995 von DDr. Balluch vor, das an den Club 2 im ORF gerichtet war. Darin empfahl sich DDr. Balluch dadurch als Teilnehmer, in dem er angab, er wäre ein radikaler Tierrechtler und wäre ein Freund von Ronny Lee. Mit radikaler Tierrechtler, stand in dem Email weiter, wäre gemeint, dass er die These vertrete, dass Tiere den Menschen vergleichbare Grundrechte haben sollten.
DDr. Balluch meinte dazu, er habe dabei übertrieben, um sich interessanter zu machen. Tatsächlich würde er Ronny Lee nicht näher kennen, sondern bestenfalls flüchtig in England getroffen haben. Der Staatsanwalt müsse sich von der Idee verabschieden, dass derartige private Emails die faktische Wahrheit enthielten. Bei solchen Emails ginge es darum, einem gewissen Adressaten eine gewisse Botschaft zu vermitteln, faktische Wahrheiten seien dabei nebensächlich.
In wiefern könnte die Bekanntschaft mit dem ALF-Gründer für den ORF interessant sein, wollte die Richterin wissen. Es ginge um ein Email von vor 15 Jahren, sagte DDr. Balluch dazu. Man könne kaum von ihm verlangen, heute noch zu wissen, was da konkret sein Anliegen war. Aber offensichtlich wäre der ORF daran interessiert gewesen, diesen Blickwinkel in die Club 2 Diskussion einzubringen.
1994 habe die Ausweisung aus England gedroht
In einem weiteren Teil dieses Emails wurde berichtet, dass DDr. Balluch 1994 die Ausweisung aus England aufgrund seiner Tierschutzaktivitäten gedroht habe. Dazu meinte er, dass damals Österreich nicht Teil der EU gewesen sei und dass mit unangenehmen politischen AktivistInnen, die AusländerInnen sind, sehr rasch so verfahren würde. Damals hätte sein Fall auch Wellen in den österreichischen Medien geschlagen und Dr. Madeleine Petrovic habe sich schon damals für ihn eingesetzt.
Was der Unterschied zwischen Tierschutz und Tierrechten wäre, fragte die Richterin. In der philosophischen Idee gäbe es da einen Unterschied, und auch in der Geschichte dieser Ideen, aber psychologisch und politisch gäbe es ein Kontinuum von Tierschutz zu Tierrechten. Das wäre ähnlich wie Menschenschutz und Menschenrechte.
Der Staatsanwalt wollte noch einmal wissen, warum DDr. Balluch 1994 aus England hätte ausgewiesen werden sollen. Das solle er am besten den englischen Staat selbst fragen, antwortete dieser. Ob die Szene in England anders gelagert wäre, als die in Österreich, fragte die Richterin. Ja, das wäre so, meinte dazu DDr. Balluch. In England wäre die Tierschutzbewegung aus der Arbeiterbewegung entstanden und würde bis heute von der Arbeiterklasse getragen. Deshalb wäre man dort viel aktionslastiger und würde weniger akademische oder politische Diskussionen führen.
DDr. Balluch als Vordenker
Verteidiger Mag. Traxler konnte jetzt fragen, ob DDr. Balluch ein Vordenker der Tierschutzbewegung sei. Ja, meinte dieser, das könne man sagen. Er würde Bücher schreiben, seine Gedanken am Internet und in Vorträgen äußern. Er habe seine Dissertation in seinem Buch Kontinuität von Bewusstsein. Das naturwissenschaftliche Argument für Tierrechte
veröffentlicht.
Der Verteidiger legte dann das Buch Regieren gegen den Bürger?
vor, für das DDr. Balluch Ko-Autor war. Es sei 2004 erschienen, aber bereits 2001/2002 geschrieben worden. Dieses Buch würde sich an AktivistInnen der gesamten NGO-Szene wenden, erklärte DDr. Balluch. Er hätte darin seine Kampagnentätigkeit dargestellt.
Dann wurden mehrere Zitate vorgelesen. Darin stellte DDr. Balluch dar, warum man im Tierschutz sehr rasch in die Grauzone zwischen legalen und illegalen Tätigkeiten gerate. Zusätzlich wurde in dem Buch dafür argumentiert, dass die AktivistInnen versuchen, anonym zu agieren und ihre Tätigkeiten vor der Behörde geheim zu halten. In einem dritten Zitat wurde erklärt, warum es bei konfrontativen Kampagnen zu immer radikaleren Aktionen kommen müsse. Bei alle diesen Aktionsformen ginge es, wie aus dem Kontext ersichtlich sei, immer um Aktionen des zivilen Ungehorsams, betonte DDr. Balluch.
Ziviler Ungehorsam und konfrontative Kampagnen
Ob DDr. Balluch die Ideologie einer kriminellen Organisation oder der ALF verbreitet hätte, wollte sein Verteidiger wissen, da das im Strafantrag inkriminiert würde. Nein, habe er nicht, betonte DDr. Balluch. Er habe sich, wie seinen vorgelegten Schriften zu entnehmen sei, immer für Reformkampagnen eingesetzt.
Anschließend sollte er erklären, was diese konfrontativen Kampagnen für Reformen eigentlich seien. Dazu nahm DDr. Balluch Bezug auf sein Buch und erklärte, dass durch eskalierende Aktionsformen immer stärkerer öffentlicher Druck aufgebaut werde. Dabei käme es auch zu Gesetzesbrüchen im Rahmen von Aktionen des zivilen Ungehorsams.
Ob da das Strafgesetzbuch die Grenze wäre, wollte der Verteidiger wissen. Nein, so könne man das nicht sagen, antwortete DDr. Balluch. Eine offene Tierbefreiung, wie er sie durchgeführt habe, wäre als dauernde Sachentziehung strafrechtswidrig. Diese Aktion wäre aber trotzdem ein ziviler Ungehorsam, weil es sich um einen lächerlichen Wert handle, der entzogen wird, und weil die Aktion hauptsächlich durch ihre symbolische Bedeutung wirke. Die Richterin ermahnte an dieser Stelle wieder einmal, der Angeklagte solle sich kurz fassen, obwohl er nach Ansicht der ProzessbeobachterInnen sicher nicht zu ausschweifig war. Tatsächlich betonte DDr. Balluch gegenüber der Richterin, sie könne ihm nicht vorwerfen, unzusammenhängende Vorträge zu halten, da er immer sehr bedacht darauf war, präzise und auf den Punkt gebracht zu antworten. Allerdings könne man bei so komplexen Themen und Fragen nicht einfach ja oder nein antworten, wie das die Richterin bereits oft verlangt hatte.
Um 12:15 Uhr begann die Mittagspause.
Kampagnen von DDr. Martin Balluch
Um 13:17 Uhr wurde der Prozess wieder aufgenommen. Verteidiger Mag. Traxler wollte nun einige Fadinger-Emails vorlegen. Die Richterin wollte aber zuerst feststellen, ob diese bereits im Akt wären. Deshalb wurden nur die Daten dieser Emails verlesen, aber auf ihre Inhalte nicht eingegangen. Nach Angaben von Mag. Traxler würden sie einerseits beweisen, dass DDr. Balluch einen radikalen Tonfall bei ganz normalen Kampagnen anschlage. So hätte er geschrieben, dass es sich um eine kurze und schmerzhafte Kampagne handle oder dass die Kampagne Angst machen müsse. Dabei ging es aber nachweislich um Kampagnen für bessere Tierschutzgesetze, bei denen keine einzige Straftat begangen worden ist und die trotzdem erfolgreich waren. Derartige Kraftausdrücke würden sich eben nicht auf Psychoterror oder dergleichen beziehen, sondern auf öffentlichen Druck, der insbesondere PolitikerInnen auch Angst machen könne.
Weitere 10 Emails würden belegen, dass DDr. Balluch in den letzten 7 Jahren nur derartige Kampagnen für Verbesserungen des Tierschutzgesetzes durchgeführt hätte, bei denen keine Straftaten auftraten. Dazu würden die Kampagne gegen die Käfighaltung von Kaninchen, die Kampagne für ein Legebatterieverbot, gegen Tierversuche an Menschenaffen, für Tierschutz in die Bundesverfassung und für ein Verbot des Singvogelfangs gehören. Die Entscheidung, ob diese Emails vorgelegt werden dürften, behielt sich die Richterin vor.
Ein Vortrag über Gewalt?
Danach kam wieder der Staatsanwalt zu Wort. Er legte Auszüge aus einem Heft von DDr. Balluch vor, die offenbar die Skizze eines Vortrages enthielten. Dabei wurden Tom Regan und Helmuth Böhm genannt, sowie Stichworte wie Sachbeschädigung und Gewalt. DDr. Balluch führte dazu aus, dass er im Rahmen seines Doktoratsstudiums in Philosophie auch ein Seminar am Juridikum der Universität Wien bei Univ.-Prof. Dr. Eva-Maria Maier besucht hätte. Dabei hätte er auch mehrere Vorträge gehalten und diese Skizzen wären dafür die Grundlage gewesen. Tom Regan sei ein Unversitätsprofessor für Philosophie in den USA und Helmuth Böhm ein Professor für Zivilrecht an der Universität Salzburg. Dieser Vortrag richtete sich nicht an TierschutzaktivistInnen, sondern an JusstudentInnen und es ging über die Frage, ob Tiere Sachen seien und ob für sie ein Notwehrrecht bestünde. Dürfe man z.B. einen Menschen, der gerade mit der Motorsäge einen lebenden Hund zerschneiden will, mit Gewalt daran hindern, oder begeht man dabei eine Nötigung.
Pfiat Di Fleischindustrie
Anschließend legte der Staatsanwalt ein Email vor, in dem DDr. Balluch vom Vortrag von Johan Jaatinen in Wien berichtete. Angeblich wären die 200 TeilnehmerInnen anschließend der Meinung gewesen, dass Sachbeschädigungen im Tierschutz gerechtfertigt wären. DDr. Balluch klärte dazu auf, dass Johan Jaatinen einer Gruppe angehört, die sich Bye bye meat industry
nenne – im Email als pfiat Di Fleischindustrie
bezeichnet – und die an die Tradition der Ploughshare-Aktionen der katholischen Friedensbewegung anknüpfe. An dieser Stelle wollte die Richterin, wie so oft, eine Antwort ja oder nein. Wären die 200 TeilnehmerInnen dieser Meinung gewesen oder nicht? Wiederum musste DDr. Balluch geduldig erklären, dass es schwarz oder weiß hier nicht gebe und dass seine Antwort eine genauere Erklärung der Umstände umfassen müsse.
Ploughshares-Aktionen wären welche, bei denen die AktivistInnen größere Sachbeschädigungen begingen, aber dann vor Ort blieben, die Angestellten des jeweiligen Betriebes mit Torten und Blumen empfingen, und danach bereitwillig eine Gefängnisstrafe auf sich nehmen würden. In diesem Sinne wären die TeilnehmerInnen für Sachbeschädigung gewesen. DDr. Balluch habe diese extreme Form des zivilen Ungehorsams in seinem Buch ebenfalls erwähnt und diskutiert.
Terrorcamps im Tierschutz?
In weiteren Emails habe DDr. Balluch von Trainingscamps für AktivistInnen berichtet. Darin ginge es um direct action sowie um den Umgang mit der Polizei usw. Abgesehen davon sollten diese Camps nicht öffentlich bekannt gemacht werden. DDr. Balluch führte dazu aus, dass diese Camps jedes Jahr organisiert werden. Sie würden sich an erfahrene AktivistInnen wenden und es ginge darum, Aktionen des zivilen Ungehorsams zu üben. Natürlich müsse man dabei auch den Umgang mit der Staatsgewalt diskutieren. Diese Camps wären deshalb nicht öffentlich, weil man sich nicht in die Karten schauen lassen wolle und weil nur Personen, die dafür geeignet erscheinen, mitmachen sollten.
In einem weiteren Email stand, dass die Anwesenden im vertrauenswürdigen Kreis radikale Gedanken gefahrlos durchdenken können wollen. Die Richterin wollte wissen, worum es sich dabei handle. DDr. Balluch berichtete davon, wie die SOKO bei seiner Hausdursuchung seine Dissertation mit dem anfänglichen Titel Gefährliche Gedanken
gefunden hätte und sich offenbar darüber sehr gefreut hätte und den Text erwartungsvoll an sich genommen habe. DDr. Balluch wäre schockiert, dass er in einem Land leben, in dem man nicht Gedanken diskutieren könne, ohne bespitzelt und von RichterInnen dazu befragt zu werden.
Die Unruhe im Saal veranlasste die Richterin eine Ermahnung an alle auszusprechen. In diesem Prozess würden noch Sachbeschädigung thematisiert werden, die sehr ernst wären. Keiner dieser Personen wäre aber so geschädigt worden, wie einige von uns im Tierschutz, kommentierte DDr. Balluch und erinnerte an die schweren physischen Angriffe auf TierschützerInnen, die zu schweren Verletzungen und in anderen Ländern sogar schon zum Tod geführt hätten.
Verschlüsselung von Computern
Als nächster Punkt wurde DDr. Balluch vorgeworfen, seinen Computer verschlüsselt zu haben. Noch dazu hätte er in Emails andere dazu aufgefordert, ebenfalls ihre Computer zu verschlüsseln. Es wurde eine Reihe von Emails von DDr. Balluch vorgelegt, in denen er Verschlüsselung empfahl.
Ob das Fadinger Forum verschlüsselt war, wollte DDr. Balluchs Verteidiger Mag. Traxler wissen, der selber Mitglied dieses Forums ist. Nein, meinte DDr. Balluch, das Fadinger Forum war also genauso geheim, wie die Botschaften auf Postkarten. Aber er selbst wäre Mitglied in drei Email-Listen, die vollständig verschlüsselt wären. Offenbar sei das der SOKO bei ihren Ermittlungen gar nicht aufgefallen.
Der VGT-Server wäre völlig verschlüsselt gewesen, gab DDr. Balluch auf Anfrage an, aber die SOKO hätte eine entschlüsselte Version als Backup gefunden und wüsste daher jetzt, dass sich darin nichts Kriminelles gefunden habe. Warum dann DDr. Balluch den Schlüssel der Polizei nicht bekannt gegeben habe, wollte der Staatsanwalt wissen. Und die Richterin meinte, dass auch sie nicht verstehe, warum man nicht vertrauensvoll der Polizei Zugang zu allen Computerdateien gegeben habe. Das sei ihm bereits aufgefallen, meinte DDr. Balluch dazu, dass die Richterin wenig Einfühlungsvermögen für die Situation der Angeklagten habe. Immerhin wären sie von der Polizei in der Nacht überfallen und mit der Pistole bedroht worden. Abgesehen davon habe die SOKO systematisch Entlastendes verschwiegen und Belastendes aufgebläht. Unter diesen Bedingungen sei man für eine kooperative Zusammenarbeit nicht mehr zugänglich.
Der Verteidiger legte eine Aussage des Generalsekretärs von Amnesty International vor, nach der diese NGO ebenfalls alle ihre Computer verschlüsselt habe. Und in einem vorgelegten Standardartikel wurde dargestellt, dass die Wiener Wirtschaftskammer Verschlüsselung und anonymes Internetsurfen empfahl. DDr. Balluch fügte diesen Vorlagen noch einen Datenstick samt Packung hinzu, den er auf einem Informationsstand der Wiener Wirtschaftskammer kostenlos überreicht bekommen habe. Mit diesem Stick ließe sich verschlüsselt und anonym kommunizieren.
Das Fadinger-Forum war nicht verschlüsselt, führte DDr. Balluch auf eine Frage der Verteidigung hin aus, und er hätte das gesamte Archiv mit einem einzigen Druckknopf löschen können. Er habe es nur aufgehoben, weil es für eine spätere historische Aufarbeitung der Tierschutzbewegung relevant sein hätte können. Niemals hätte er gedacht, dass man durch derartig harmlose Emails auf diese brutale Weise verfolgt und vor Gericht gezerrt werden könne.
Die Verschlüsselungsprogramme, die DDr. Balluch verwendet hat, seien alle kostenlose Freeware vom Internet gewesen, meinte er auf Anfrage der Richterin und das Installieren wäre zwischen 40 Sekunden und bis zu 10 Minuten lang, je nachdem wieviel man davon vorher wüsse.
Verteidiger Mag. Bischof nahm daraufhin den vorgelegten Verschlüsselungs-Stick der Wiener Wirtschaftskammer und las den Beipacktext vor. Die Verpackung des Sticks hatte die Form eines Medikaments und in dem Beipackzettel wurde festgehalten, dass dieses Medikament
für jene Menschen wäre, denen Artikel 8 und 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention zur Achtung der Privatsphäre und der freien Meinungsäußerung wichtig seien. Die Richterin sagte dazu, sie nehme das nicht zu Kenntnis und nehme den Stick auch nicht zum Akt. Natürlich ginge das Gericht davon aus, dass Verschlüsselungen auch von anderen Einrichtungen verwendet würden.
Nachdem Mag. Bischof mehrmals versucht hatte, den Beipacktext des Sticks vorzulesen, aber von der Richterin gehindert worden war, und das Publikum dazu einige Male gelacht hatte, meinte die Richterin zum Verteidiger, dass ihr missfalle, dass er sich selbst darzustellen versuche und dass es auffällig wäre, dass gerade bei ihm am meisten gelacht würde.
Animal Liberation Workshops
Im Strafantrag werden die Animal Liberation Workshops als Rekrutierung von Kriminellen angeführt. Dazu legte Verteidiger Mag. Traxler Webseitenberichte über diese öffentlichen Veranstaltungen vor. Sie hätten schon 20 – 30 Mal stattgefunden, gab DDr. Balluch dazu an, und würden sich an Menschen richten, denen Tierschutz ein Anliegen wäre, die aber noch keinen Kontakt zur Tierschutzszene hätten. In Wien wären bei diesen Veranstaltungen oft 120 Personen. Sie würden öffentlich angekündigt und wären frei und kostenlos für jeden Menschen zugänglich. Die entsprechende Webseite laute www.animal-liberation.at.
Auf Anfrage der Richterin meinte DDr. Balluch, dass Recherchen nur ein peripheres Thema dieser Veranstaltungen wäre, dafür würde immer in einem eigenen Vortrag über Bürgerrechte und Verhalten gegenüber der Polizei gesprochen. Es würde auch erklärt, wie man Demonstrationen anmelden könne.
Fadinger Forum
Die Richterin legte zu diesem Thema eine Reihe von Emails aus diesem Forum vor, in dem verschiedene Mitglieder davon sprechen, dass außerhalb des Forums die Existenz des Forums nicht erwähnt werden solle. Es dürfe auch kein Crossposting geben, d.h. dass Emails an dieses Forum und gleichzeitig an andere Personen oder Listen gesendet werde. Weitergabe von Emails sei nur nach Anfrage bei den AutorInnen erlaubt.
DDr. Balluch erklärte dazu, dass das mehrere Gründe hätte. Erstens wolle man nicht, dass das Forum allgemein bekannt sei, weil sich sonst Behörden und politische GegnerInnen dafür interessieren könnten, aber man wolle untereinander diskutieren und Aktionen besprechen und planen können. Aus den vorgelegten Emails ginge klar hervor, dass man davon ausging, dass die Polizei sowieso mitlesen würde. Niemand empfand die Emails dieser Liste als irgendwie verfänglich oder gar kriminell. Zusätzlich wolle man durch die Geheimhaltung nach außen vermeiden, dass es Eifersüchteleien in der Tierschutzszene gäbe, wer jetzt auf die Liste dürfe und wer nicht. Abgesehen davon würden Personen, die sich nicht verstehen, auf einer solchen Liste laufend streiten und dadurch jede konstruktive Diskussion verhindern.
Die Richterin fragte dann, ob man ein Leumundszeugnis brauche, bevor man auf die Liste dürfe. In gewissem Sinn ja, meinte DDr. Balluch, erst wenn man ca. ein Jahr aktiv gewesen sei könne man dafür in Betracht kommen, damit gewährleistet wäre, dass man weiß, mit welcher Art von Person man es zu tun habe.
Sendung Tierrechtsradio auf Radio Orange
Was Radio Orange für ein Sender wäre, wollte die Richterin zunächst wissen. Das sei ein nicht-kommerzieller Sender, der sich durch Mitglieder und Subventionen der Stadt Wien finanziere, meinte DDr. Balluch dazu. Er würde seine Sendung Tierrechtsradio
seit 1999 zusammen mit anderen Personen abhalten. Wer die ZuhörerInnen wären, fragte die Richterin, insbesondere ob es sich um TierrechtsaktivistInnen handle. Das glaube er nicht, die ZuhörerInnen wären normale Personen, die einfach das Radio aufdrehen würden, wenn sie Zeit hätten. Ob er nicht glauben würde, dass radikale Inhalte und Berichte von Sachbeschädigungen die ZuhörerInnen dazu verleiten könnten, selbst strafrechtlich aktiv zu werden, wollte die Richterin wissen. Das glaube er nicht, meinte DDr. Balluch dazu, weil sonst müsste jedes Medium, das z.B. von einem Mord berichte, damit rechnen, dadurch Menschen zu Morden anzustiften.
Von 14:53 Uhr bis 15 Uhr gab es eine Pause.
Tierschutzreffen 2007 in Holland
Zunächst fragte der Staatsanwalt, ob DDr. Balluch im Jahr 2006 in England auf einem Tierrechtstreffen gewesen sei. Im Strafantrag ist das als einer der Anklagepunkte genannt. DDr. Balluch sagte dazu nein, wollte aber wissen, wie der Staatsanwalt dazu komme, das zu behaupten. Das könne er aber nicht fragen, wurde er von der Richterin belehrt.
Anschließend ging es um ein Tierschutztreffen 2007 in Holland. Der Staatsanwalt sagte, DDr. Balluch hätte dort einen Vortrag über die ALF gehalten. Das sei falsch, gab DDr. Balluch an, und legte ein Email mit allen Workshopsbeiträgen aus Österreich an diesem Treffen vor. Dabei ging es um keine kriminellen Themen, sondern von Tierschutzvorträgen an Schulen, über Diskussionen zu konfrontativen Kampagnen und Recherchen in Tierfabriken bis zu Tierrechtsphilosophie und den Prozess um Personenrechte eines Menschenaffen.
Als eine Frau um Zuschauerraum meinte, sie könne die an die Wand projizierten Emails nicht lesen, wurde ihr von der Richterin gesagt, es ginge hier zu wie im Kindergarten.
Nun legte der Staatsanwalt wiederum ein Email vor, in dem DDr. Balluch von diesem Tierschutztreffen in Holland danach berichtete. Darin sagte er, er würde frustriert sein, weil auf dem Treffen viele Personen von der ALF begeistert gewesen wären, dabei wären Straftaten für den Tierschutz im Vergleich zu konfrontativen Kampagnen nicht relevant. Das würde nur beweisen, dass er kein Interesse an Straftaten hätte, sondern AktivistInnen für seine legalen Kampagnen gewinnen wolle, führte DDr. Balluch dazu aus. Zusätzlich legte er einen Ausdruck der Myspace-Webseite ALF Support
vor, die offensichtlich weltweit 22233 Freunde habe. Das wäre so zu erklären, dass die ALF mit Tierbefreiungen verbunden würde und deshalb hohe Sympathiewerte genieße.
Amtsmissbrauch einer Richterin?
Als letzten Vorwurf des Tages legten Staatsanwalt und Richterin wiederum eine Reihe von Emails von DDr. Balluch vor. Darin berichtete er begeistert von einer Richterin, die einen Tierschützer freigesprochen habe. Er hätte diese Richterin bereits persönlich getroffen und sie würde weitere TierschützerInnen freisprechen, die bei einer Jagdstörung dabei gewesen sein sollen. Diese Personen sollten daher gegen ihre Straferkenntnis berufen. Dann wäre es in Zukunft möglich, mit richterlicher Rückendeckung Jagdstörungen in NÖ zu organisieren.
DDr. Balluch sagte dazu, dass diese Emails ausschließlich dazu gedient hätten, AktivistInnen zu einer Berufung zu motivieren und sie dafür zu begeistern, in Zukunft weiterhin Aktionen gegen die Jagd zu unternehmen. Er hätte diese Richterin bei ihrer Verhandlung gar nicht gesehen und kenne ihr Verhalten daher nur vom Hörensagen. Sie wäre endlich eine Richterin gewesen, die dem Einfluss der Jägerschaft nicht unterliege sondern gerecht entschieden hätte.
Im Akt fänden sich 3 Emails und 3 Telefonanrufe von ihm an die Richterin. Diese würden belegen, dass er sie nicht beeinflusst hätte und mit ihr nicht einmal über laufende Verfahren gesprochen habe. Er wäre einmal nach Beendigung des Verfahrens bei ihr zu Hause gewesen, aber da wäre es um etwas anderes gegangen. Sie hatte einer Person mitgeteilt, dass in ihrer Nachbarschaft eine Schweinefabrik wäre und DDr. Balluch wäre nur vorbeigekommen, um diese Schweinefabrik zu filmen. Dabei hätte er sie nur ganz kurz getroffen und mit ihr über keine anhängigen Fälle gesprochen. Die Richterin habe nie in einem Verfahren über DDr. Balluch entschieden und es hätte auch nur ein einziges Verfahren mit etwa 8 TierschützerInnen gegeben, für das sie zuständig war.
Abgesehen davon würde eine UVS-Richterin gar nicht freisprechen können, es handle sich ja um ein Verwaltungsstrafverfahren, das Berufungen gegen Straferkenntnisse behandle. Das Verfahren würde daher bei einer entsprechenden Entscheidung der Richterin lediglich eingestellt, führte Anwalt Dr. Dohr aus.
Die Verhandlung wurde um 15:35 Uhr bis zum nächsten Tag unterbrochen.