Tierschutzprozess:
Effektiver Tierschutz und gelebte Demokratie in Gefahr

Besetzung des österreichischen Konsulats in München

Der 2. März 2010 wird ähnlich wie der 21. Mai 2008 in die Annalen in der österreichischen Tierrechtsbewegung eingehen – es ist der Tag, an dem die Justizfarce erneut bitterste Züge angenommen hat – der Monsterprozess zum §278 beginnt!

Österreichisches Konsulat in München; schon in den frühen Morgenstunden versammeln sich österreichische und deutsche TierrechtsaktivistInnen in der Umgebung des Gebäudes, um in einer angemeldeten Kundgebung gemeinsam gegen den Wahnsinn Tierrechtsprozess ihre Meinung in einem wie immer völlig friedlichen und gewaltfreien Protest kundzutun.
Minuten später sind sieben TierschützerInnen im Inneren des Konsulates. Blitzschnell ketten sich drei der ihren an Betonsäulen und Stiegengeländer fest, drei weitere enthüllen ein Transparent: Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht!, schreien dicke Lettern den Angestellten und BesucherInnen entgegen. In den ersten Minuten der Aktion entsteht ein perfektes Wirrwar, ein Sprecher der TierschützerInnen erklärt den Hintergrund der spektakulären Handlung: die AktivistInnen wollen die Öffentlichkeit auf den Justizskandal in Österreich aufmerksam machen – und welcher Ort in Deutschland würde sich hierfür wohl besser eigenen als die legitime Vertretung von Rot-Weiß-Rot, österreichischer Grund und Boden inmitten der Isarmetropole? Man wünscht sich von der Auslandsvertretung eine Stellungnahme zum Prozess, eine Presseaussendung, wo die Beweggründe der jungen Menschen nahe gelegt werden. Weiters würde man vom Konsulat eine Unterstützungserklärung erhoffen, ein Schreiben, mit welchem die Justiz gebeten wird, den angeklagten TierrechtlerInnen und deren Anwälten endlich volle Einsicht in die Akten zu ermöglichen, in späterer Folge eine Nicht-Berücksichtigung von §278a auf NGO's.

Ein Transparent wird entrollt, an einer Säule ketten sich AktivistInnen fest, ebenso an einem Stiegengeländer

Die augenscheinliche Leiterin des Büros erscheint, aufgeregt, von der Situation übermannt. Wie mechanisch wiederholt sie immer wieder den selben Satz, der ur-österreichischen Tugend der Diskussionskultur niemals Folge leistend. Die Polizei wird verständigt, Minuten später ist der Raum zum Bersten überfüllt mit eifrigen grün-braun-gekleideten BeamtInnen, natürlich in voller Bewaffnung. Daten werden versucht aufzunehmen, ein Unterfangen welches sich schwieriger gestalten sollte als ursprünglich vielleicht angenommen. Die Stimmung ist eine gute, fast gemütliche, ein reger Verhandlungs(mini)marathon folgt, schließlich aber verschärft eine völlig unnötige Verbalintervention eines sich im falschen Beruf befindlichen Kappenträgers die Situation zusehend.
Die Leiterin des Polizei-Einsatzes spricht ein Ultimatum aus: die AktivistInnen können das Gebäude ohne zu befürchtende Konsequenzen verlassen, müssen aber sofort gehen. Fünf Minuten bleiben Zeit für eine Entscheidung. Für die mit schweren Eisenschlössern festgehaltenen gibt es kein Entrinnen, dafür wäre der Augenblick zu kurz bemessen – also entscheidet man, dass zwei der Tierschützer zur Überwachung deren Sicherheit im Konsulat verbleiben würden, zwei weitere sollten den Anweisungen unverzüglich Folge leisten.
Nach dem Verlassen der Szenerie der beiden AktivistInnen, noch bevor die verbleibenden eine Entscheidung mitteilen können, erstürmt plötzlich eine Dutzendschaft von bewaffneten BeamtInnen den Raum, nun geht alles blitzschnell. Spezialkommandos klacken Schlösser mit schwerem Gerät, die KundgebungsteilnehmerInnen werden unter völlig übertriebenem Polizeiaufgebot aus den Räumen begleitet, teils getragen.
Vor dem Eingang bietet sich nun ein Bild wie nach einem Terroranschlag: ein Großaufgebot von mindestens 35 BeamtInnen ist aufgefahren, es sollten später nach Angaben eines Augenzeugen ca. 50 PolizistInnen um die Botschaft postiert sein – die Medien berichten am folgenden Abend gar von 60 eingesetzten StaatsdienerInnen!
Und die große Überraschung, die eigentlich gar keine ist: auch die beiden TierschützerInnen, welche nach der Zusage der Einsatzleiterin das Gebäude ohne Konsequenzen zu befürchten verlassen hatten, sind festgenommen, werden zusammen mit den anderen in Polizeibusse verladen und zum grün-brauen Nest geleitet!!!!

Die AktivistInnen werden einzeln in verschiedene, abgetrennte Verhörräume geführt, alle Gegenstände werden abgenommen. Beamte des Staatssicherheitsdienstes erscheinen, in zivil, aber mit vollbehangenem Gürtel, Handschellen, Waffen, usw.
Die Verhöre, je zwei Befrager pro AktivistIn, dauern bis in die Mittagsstunden, schließlich werden die TierschützerInnen größtenteils trotz deren Verweigerung Erkennungsdienstlich behandelt, was heißt Fingerabdrücke aller 10 Finger werden abgenommen, zusätzlich von Handfläche, Handseitenflächen, Portraits aus allen Winkeln werden angefertigt, Größe und Gewicht festgestellt, alle Merkmale aufgenommen, Tatoos und Piercings fotografisch festgehalten, wohlgemerkt: für den Delikt Hausfriedensbruch
Bemerkung am Rande: ein Befragender meint, die so gesammelten Daten würden nach der Beendigung des Strafverfahrens gelöscht werden; jene Beamte, welche die Aufzeichnungen nun tatsächlich machten, bestätigten aber den Verdacht: ein Vermerk auf dem Amtsblatt verweist auf eine Aufbewahrung über 10 Jahre hinweg!

Am frühen Nachmittag werden die TierschützerInnen schließlich auf freien Fuß gesetzt, Hausfriedensbruch lautet also die Anklage. Der Tatbestand wurde aber unserer Meinung nach nicht vollzogen, wurden wir doch weder am Betreten des Gebäudes noch an unserer Aktion in irgend einer Form gehindert, lies das Konsulat den Vorgang ohne Warnung passieren.

Ein Autoschlüssel wurde abgenommen, worauf die Polizei ohne Zustimmung und ohne Beisein des Wagenbesitzers eine Auto-Durchsuchung durchführte und dabei die Pässe und Ausweise mehrerer AktivistInnen sicherstellte; ohne jegliche Durchsuchungsbevollmächtigung! Die Polizeistadt München wird ihrem Ruf mehr als gerecht!

Bunte Kundgebung München :)

Die Festgenommen müssen den langen Weg zurück zu Fuß antreten, sie treffen später auf einen Demozug zum §278 a, organisiert von der so großartigen Münchner Tierrechtsbewegung. 13 Männer und Frauen in Sträflingskleidung und in Ketten schleppen sich dabei unter lauten Ovationen von gut zwei Dutzend Tierrechtlerinnen mehrere Kilometer durch die Innenstadt! Die Kundgebung ist laut und mächtig, lässt das Herz jedes/r AktivistIn höher schlagen. Beinahe unglaublich, unter den erstaunten Blicken aller Beteiligten und wohl auch PassantInnen: ein Großaufgebot von BeamtInnen, der Zug eskortiert von mehr als einem Dutzend Polizeiwagen in Festbeleuchtung (gab der Kundgebung einen würdigen Rahmen und sorgte so nicht zuletzt für volle Aufmerksamkeit der Zaungäste) begleitet die TierrechtlerInnen auf den langen Marsch durch unwirsche Wetterbedingungen, ganz nach dem Motto: jeder/m AktivistIn seine eigenen zwei PolizistInnen …

Ein Hubschrauber kreist über der Versammlung, begleitet diese ebenfalls ein Stück.

Menschenrechte auch in Österreich!, 1,2,3 – sprecht die Menschen frei!, Tierbefreiung, Menschenrecht – ein Kampf, ein Gefecht und derartige Rufe sollten an diesem Nachmittag durch die Gassen hallen, bunte Transparentenmeere das Stadtbild in München prägen!
Gegenüber des Hauptbahnhof kommt es zur einer lauten Abschluss-Kundgebung, der Regen wird immer stärker und sowohl AktivistInnen als auch PolizistInnen sind allesamt bereits triefend nass. Kalter Wind lässt selbst die Abgehärtetsten erzittern – aber schööööön war’s!!!!!

Und noch ein Detail am Rande: am Rückweg zum Wagen, der in der Nähe des Konsulates geparkt war, erwarteten uns erneut die eifrigen BeamtInnen. Noch immer war das Gebäude praktisch umrundet, ein halbes Dutzend Einsatzwagen vermittelten den Eindruck eines passierten Bombenattentates. Sofort bei unserem Erscheinen kam Bewegung in die Runde; und dann das.
An Freundlichkeit kaum zu überbietende Service: durch die ganze Stadt hindurch, rauf auf die Autobahn und bis zum Autobahnkreuz, erhalten wir eine Eskorte und eine nette Verabschiedung aus Bayerns Hauptstadt – Service is our Success, sagt nicht nur der mit dem roten Kapperl, sondern auch die mit den grünen Jacken.