Tierschutzprozess:
Effektiver Tierschutz und gelebte Demokratie in Gefahr

Gutachten zu Meinungsäußerungen im Internet

Das folgende Gutachten wollte der Angeklagte DI Elmar Völkl im Tierschutzprozess einbringen. Konkret ging es um einen Eintrag in einem Internetforum, der nicht wörtlich gemeint war und der ihm aber als radikal zum Vorwurf gemacht wurde. Die Richterin hat aber bisher alle Gutachten, die nicht vom Staatsanwalt oder ihr bestellt worden sind, einfach abgelehnt. So auch dieses. Um eine faire Präsentation der Fakten zu ermöglichen, soll daher im folgenden das Gutachten wiedergegeben werden. Abgesehen davon ist der Inhalt dieses Gutachtens auf sehr viele der Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen die Angeklagten anwendbar, da es sehr oft um radikale Emails und Meinungsäußerungen auf Internetforen ging.

Der Autor ist Soziologe und Kriminologe.

Hamburg, den 21.03.10

Stellungnahme zu dem Internetforenbeitrag Gegenveranstaltung, für die man keine Genehmigung braucht

1. Äußerung und Kontext

In einem geschlossenen, nur für einen bestimmten Teilnehmerkreis zugänglichen Internetdiskussionsforum (Fadinger) finden Diskussionen u.a. über bioethische und tierrechtliche Fragestellungen statt. Der hier in Frage stehende Thread beginnt mit einem vom Forenteilnehmer Elmar verfassten ausführlichen Bericht über den Vortrag einer Anthropologin über Schimpansen in Menschenhand. In einer kurzen Einleitung zu diesem längeren Beitrag weist der Autor darauf hin, dass auf dem Veranstaltungsgelände des Vortrags gleichzeitig ein Spanferkelgrillen stattfand. Er kommentiert dies mit den Worten soviel mal dazu! und geht dann zur Berichterstattung über den Vortrag über. Dabei werden die verschiedensten Aspekte, wie z.B. das Leben von Schimpansen in Freiheit, das Gruppenverhalten, das Sexualverhalten und der Lebenszyklus von Schimpansen, der Werkzeuggebrauch unter Schimpansen, die Zoohaltung von Schimpansen sowie Schimpansen betreffender Artenschutz, Tierschutz und die Frage möglicher Rechte von Schimpansen thematisiert. Der Beitrag macht den Eindruck einer sachlichen und interessierten, engagierten und zugleich humorvollen (so in einer amüsierten Anmerkung über die Promiskuität von Schimpansen) Zusammenfassung des anthropologischen Vortrags.

Im zweiten Beitrag des Threads antwortet eine andere Forenteilnehmerin – unter Angabe ihres echten Vornamens sowie eines als Forenpseudonyms erfundenen Nachnamens – auf den Bericht von Elmar. Sie geht nicht auf das Thema Schimpansen, sondern nur auf die kurze Anmerkung zum Spanferkelgrillen ein. In diesem Zusammenhang berichtet sie über die ihrer Ansicht nach schlechten Haltungsbedingungen der Schweine auf einem Hochschulgut. Dabei fragt sie an zwei Stellen (so dass unklar ist, ob sich der Gedanke nur auf das Spanferkelgrillen oder auch auf das Hochschulgut bezieht), ob man wohl eine Gegenveranstaltung machen könne, und was man dabei tun müsse. An einer der Stellen (die sich nur auf das Spanferkelgrillen bezieht) fragt diese Autorin, ob man für eine Gegenveranstaltung nach Ansicht der anderen Forenteilnehmer eine Genehmigung bekommen würde.

In diesem Zusammenhang fällt die inkriminierte Äußerung des Forenteilnehmers Elmar:

gegenveranstaltung für die man keine genehmigung braucht:
http://www.geocities.com/alf_classics/arson_around.html
,)
- elmar –

Der Hyperlink verweist auf eine heute nicht existente bzw. nicht funktionierende Internetadresse. Ob der Link zum Zeitpunkt der Erstellung des Forenbeitrages funktionierte (Juni 2007), ist mir nicht bekannt. Die verlinkte Webseite soll einen Leitfaden zur Herstellung eines Brandsatzes beinhaltet haben.

2. Charakter und Intention der Äußerung

Die inkriminierte Äußerung ist kurz, wesentlich verweisartig, mit einem sog. Smiley als eine ironische gekennzeichnet und mit dem echten Vornamen des Autors unterzeichnet. Hinsichtlich der Haltung und der Absicht des Autors sollen im folgenden zwei Interpretationen näher untersucht werden: 1. Die Äußerung war wesentlich scherzhaft gemeint, 2. Die Äußerung hat appellativen Charakter und/oder sollte Informationen über den Bau von Brandsätzen an eine Organisation liefern, welche Brandanschläge durchführte oder plante.

2.1. Scherzhafter Charakter der Äußerung

Mit der Idee einer genehmigungsfreien Veranstaltung assoziieren wir spontan eine unbedenkliche, selbstverständlich legale Veranstaltung. Der dann folgende Verweis auf das Thema Brandanschläge folgt zwei wesentlichen Prinzipien der Komik – 1. der überraschenden Brechung der Erwartungshaltung des Rezipienten und Verkehrung des üblicherweise gemeinten Sinns in das Gegenteil und 2. der Übertreibung (hier: Brandstiftung als Gegenmaßnahme). Des Weiteren wurde der Forenbeitrag mit einem Smiley versehen. In der Zeichenfolge ,) symbolisiert das Komma ein zwinkerndes Auge und die Klammer einen lachenden Mund. Diese Form des Smileys wird in elektronischen Kommunikationsformen genutzt, um den augenzwinkernd-scherzhaften Charakter einer Äußerung und eine ironische Distanzierung des Autors von dieser zum Ausdruck zu bringen. Dass die Pointe (hier: der Übergang von der Idee legaler Veranstaltungen zum Thema illegale Brandanschläge) nicht schlicht genannt wird, sondern durch den Verweis auf eine andere Website durch einen Hyperlink geschieht, ist ebenfalls ein typisches Merkmal der Komik in Internetforen. Dadurch, dass der Leser die Pointe nicht sofort erkennen kann, sondern auf einen Link klicken muss, um sich überraschen zu lassen, was er dort wohl sehen werde, wird ein für das Geschichtenerzählen förderlicher Spannungsbogen aufgebaut und die Wirkung der Pointe durch deren überraschendes und durch den Leser aktiv (durch einen Mausklick) herbeigeführtes Auftreten erhöht.

Die Struktur der inkriminierten Äußerung ist insofern konsistent mit der Annahme, die Forenäußerung sei – auf eine derbe, makabre und überspitzt polemische Weise – scherzhaft gemeint. Derber und makabrer Humor, der in öffentlichen Äußerungen untragbar erschiene und sanktioniert würde, wird in privater Kommunikation häufig praktiziert und akzeptiert. Eine völlige öffentliche Transparenz über in privatem Rahmen gemachte Scherze und Polemiken würde das soziale Zusammenleben radikal verändern und wahrscheinlich das normale Funktionieren der meisten Organisationen verunmöglichen. Man stelle sich vor, Vorgesetzte würden alle Witze kennen, die Angestellte machen, Schüler würden alle Witze kennen, die Lehrer machen, oder Kunden würden alle Witze kennen, die das Personal von Geschäften macht. Betriebe, Schulen, Geschäfte würden nicht mehr so funktionieren können, wie wir es auf der Basis einer funktionierenden Trennung der Bezugsgruppen von Kommunikationen kennen. Heinrich Popitz hat in ganz ähnlichem Zusammenhang über die Präventivwirkung des Nichtwissens gesprochen und gezeigt, dass eine Gesellschaft, in der alle Normverstöße bekannt und sanktioniert würden, nicht funktionieren könnte. Tatsächlich werden im privaten Rahmen weitgehend respektlos nahezu alle Ereignisse auch zum Gegenstand von Witzen gemacht, wobei auch Themen nicht ausgeschlossen werden, bei denen es um die Schädigung von Sachen oder Personen geht. So kursierten beispielsweise schon kurz nach den verheerenden Anschlägen auf das World Trade Center in New York (September 2001) Witze über dieses Ereignis. Der Forenbeitrag wurde in einem semi-privaten Kommunikationsraum, nämlich einem geschlossenen Internetforum mit einem persönlich teils unbekannten Teilnehmerkreis gemacht. Ein derartiges Forum verleitet in besonderer Weise zu möglicherweise anstößigen Scherzen, da hier gleichzeitig der Eindruck von Privatheit (geschlossenes Forum) und einer gewissen Anonymität (persönlich teils unbekannte und im Moment des Schreibens nicht sichtbare Teilnehmer) geschaffen wird. Die inkriminierte Äußerung stellt eine unmittelbare Antwort auf die Frage einer anderen Forenteilnehmerin nach der Genehmigungsfähigkeit von Gegenmaßnahmen dar. Die Äußerung entspricht in diesem Kontext einer spitzfindig-ironischen Replik in einem privaten Gespräch mit teils unbekannten, aber dem gleichen Milieu zugerechneten, Zuhörern. Sie ist nicht mit einer öffentlichen, wohlreflektierten Meinungsäußerung gleichzusetzen.

Der Kontext der inkriminierten Forenäußerung deutet darauf hin, dass hier eine Verarbeitung kognitiver Dissonanzen auf dem Wege der Komik vorliegen kann. Die soziale Funktion einer makaber-komischen Thematisierung von Verbrechen (und anderen schädigenden Ereignissen) ist häufig in der Verarbeitung einer als dissonant und unordentlich erlebten Welt zu sehen. Das Wissen um die Anstößigkeit makabrer Komik verleiht den Beteiligten das Gefühl, etwas Unerlaubtes zu tun (als Erzähler) oder diesem Beizuwohnen (als Zuhörer) und generiert so eine Grenzerfahrung, mit der die empfundene Ver-rücktheit der Welt gespiegelt und kommunkativ bearbeitet wird. Gerade aus der Perspektive von Subkulturen gesellschaftspolitischer Aktivisten erscheinen die Haltungen der Mehrheitsgesellschaft oftmals unordentlich, dissonant, ver-rückt. Wie kann es sein, so fragen sich Aktivisten, dass unsere leicht verständlichen Einsichten nicht akzeptiert werden bzw. dass nichts gegen Missstände unternommen wird? Wie ist es möglich, so fragen sich tierrechtlich überzeugte Menschen, dass Tieren so viel Leid zu so trivialen Zwecken zugefügt wird, dass die Notwendigkeit des Tierschutzes zwar gesellschaftlich akzeptiert wird, Tiere aber trotzdem massenhaft eingesperrt und getötet werden, dass eine Veranstaltung über mögliche Menschenrechte für Affen von einem Spanferkelgrillen begleitet wird? Die weitgehende eigene Machtlosigkeit einer als ignorant und widersprüchlich empfundenen herrschenden Moral gegenüber, induziert eine Dissonanzerfahrung, die – da die Mittel zu ihrer praktischen Überwindung nicht gegeben sind – auf dem Wege der makabren Komik bearbeitet werden kann.

2.2. Appellativer Charakter und Informationsübermittlung

Aus der ironischen Darstellung von Brandanschlägen als genehmigungsfreien Veranstaltungen alleine ist weder eine bestimmte Haltung des Autors zu Brandanschlägen noch eine über den reinen Scherz hinausgehende, eventuell beabsichtigte Wirkung der Äußerung unmittelbar ableitbar. Denkbar ist, dass der Autor aus temporärer Frustration über die sehr langsame Wirkung sanfterer und legaler Maßnahmen zur Verbesserung der Lebenssituation der Tiere ein gewisses (möglicherweise: momentanes) Verständnis oder eine Sympathie für Menschen aufbringt, die zu militanten und illegalen Maßnahmen greifen. Denkbar ist auch, dass er mit den wilden und (aus der Perspektive von Menschen mit ähnlichen politischen Zielen) möglicherweise heldenhaften Assoziationen eines militanten Kampfes kokettiert – so wie etwa junge Menschen Che Guevara-T-Shirts tragen, auch wenn die Umsetzung oder Unterstützung eines Guerillakampfes nicht im Entferntesten ihren Lebensplänen und Möglichkeiten entspricht. Denkbar ist schließlich, dass der Autor Brandanschläge strikt ablehnt und sich die Äußerung im reinen Scherz erschöpft. Das inkriminierte Zitat an sich ist mit all diesen Möglichkeiten (sowie Kombinationen davon) kompatibel.

Unwahrscheinlich ist angesichts der Forenäußerung allerdings, dass der Autor ernsthaft zu Brandanschlägen auffordern wollte, oder dass er als Mitglied einer organisierten Gruppe, in welcher derartige Anschläge durchgeführt oder geplant wurden, Informationen bereitstellen wollte.

  1. Aus der Forschung zu Terrorismus und sozialen Bewegungen ist bekannt, dass zwischen der bloßen, mehr oder minder ausgeprägten Sympathie für militante Aktionen und deren tatsächlicher Durchführung erhebliche soziale und psychologische Schwellen überschritten werden müssen. Die Zahl derjenigen Menschen, die angesichts militanter, illegaler Aktionen entweder ein gewisses Maß an Verständnis aufbringen können oder gar eine klammheimliche Freude empfinden, ist erheblich größer als die kleine Zahl der Menschen, die tatsächlich willens und in der Lage sind, derartige Aktionen durchzuführen. Auch wenn die Möglichkeit besteht, dass der Autor des Zitats in mehr oder minder großem Ausmaß und mehr oder minder dauerhaft Verständnis für Brandanschläge zu Tierschutzzwecken aufbrachte, könnte daraus nicht auf eine ernsthafte Befürwortung oder gar eine eigene Bereitschaft zur Unterstützung derartiger Anschläge geschlossen werden.
  2. In dem kurzen, verweisartigen Forenbeitrag werden Brandanschläge nicht als ernsthaft in Erwägung zu ziehende Maßnahme dargestellt. Der inhaltliche Kontext – nämlich die Frage nach Gegenmaßnahmen gegen ein Spanferkelgrillen – scheint auch nicht mir militanten Aktionen unter dem Etikett Animal Liberation Front kompatibel: Weder wäre hier eine Befreiung von Tieren möglich, noch könnten Personen oder Organisationen, die von der Ausbeutung von Tieren profitieren, nennenswerte ökonomische Schäden zugefügt werden, noch wäre sicherzustellen, dass Menschen bei einer solchen Aktion nicht geschädigt werden. Ein Spanferkelgrillen wäre insofern selbst und gerade für Aktivisten, die den Ideen der A.L.F. zuneigen, ein vermutlich denkbar ungeeignetes Zier für einen Brandanschlag. (Gleiches gilt für die zweite Möglichkeit, dass sich nämlich der Verweis auf die Gegenmaßnahme auf die im Forum besprochene Schweinehaltung auf einem Hochschulgut beziehen könnte. Hier wäre im Falle eines Brandanschlags nicht sicherzustellen, dass Tiere nicht verletzt würden.) Neben dem Ort der Äußerung (unverschlüsseltes, halb-öffentliches Forum; siehe unten: c.2.) spricht bereits dies gegen die Annahme eines ironisch gewendeten ernsthaften Appells.
  3. Die unmittelbare Adressatin des inkriminierten Beitrags ist jene Forenteilnehmerin, die nach der Genehmigungsfähigkeit von Gegenmaßnahmen gefragt hatte. Diese Autorin (die wie der Autor der inkiminierten Äußerung unter ihrem echten Vornamen auftritt) vermittelt den Eindruck einer engagierten, keinesfalls aber militanten Tierschützerin. Von einer Mitgliedschaft dieser Autorin in einer militanten Tierschutzorganisation kann nicht ausgegangen werden – sie ist sogar besorgt um die behördliche Genehmigung einer Veranstaltung gegen das Spanferkelgrillen. Der Verweis auf den Bau von Brandsätzen als Gegenmaßnahme lässt sich auch angesichts dieser Adressatin schwerlich als ernsthafte Aufforderung interpretieren. Von einer Forenteilnehmerin, die sich eben noch um behördliche Genehmigungen sorgte, wird kaum jemand erwarten dürfen, dass sie zum Bau von Brandsätzen übergehen wird, nur weil sie auf einen Hyperlink zu einer Internetseite mit entsprechenden Instruktionen stößt.
  4. Um plausibel einen – wenngleich ironisch gewendeten und daher nicht feststellbaren – Appell anzunehmen, müssten wir davon ausgehen, dass sich die Aufforderung weder an die (einzige) Konversationsteilnehmerin im besagten Thread, noch auf das explizit besprochene Thema (Spanferkelgrillen) richtete, sondern dass stattdessen andere Forenteilnehmer und andere (unbekannte) Ziele eines eventuellen Brandanschlags gemeint waren. Für eine so ausgreifende Interpretation gibt es keine Anhaltspunkte. Im Gegenteil: Der Beginn des Threads, welcher sich an alle Forenteilnehmer richtete, (Elmars Ausführungen über den anthropologischen Vortrag) entbehrt jeder Militanz. Die inkriminierte Äußerung fällt erst als ironische Replik spezifisch auf die Frage der anderen Forenteilnehmerin nach Gegenmaßnahmen, und hinsichtlich des von ihr hervorgehobenen (im ursprünglichen Beitrag ganz nebensächlichen) Themas Spanferkelgrillen. Die Äußerung ist also reaktiv und bezogen auf eine Adressatin und auf einen Gegenstand, angesichts derer von einer ernst gemeinten Aufforderung zu einem Brandanschlag nicht ausgegangen werden kann.
  5. Wenn der im Zitat eingebrachte Hyperlink zum Zeitpunkt des Forenbeitrags funktionierte und der Inhalt der verlinkten Webseite tatsächlich Instruktionen zum Bau von Brandsätzen enthielt, so wurde damit den Forenteilnehmern Zugang zu Informationen über Brandsätze verschafft. Dass damit eine Informationsleistung für eine organisierte Gruppe intendiert war, in welcher Brandanschläge geplant und/oder durchgeführt wurden, ist unwahrscheinlich.
    1. Die inkriminierte Äußerung ergab sich als Antwort auf einen thematisch unvorhersehbaren, vom eigentlichen Thema abweichenden Forenbeitrag einer anderen Diskussionsteilnehmerin. Insofern ist bei der in Frage stehenden Äußerung nicht von einer geplanten Informationsübermittlung auszugehen.
    2. Schon sieben Jahre vor dem Forenbeitrag sollen militante Tierschützer einen Brandanschlag auf einen Zirkus verübt haben, bei dem ein Brandsatz verwendet wurde, der in seiner Konstruktion Ähnlichkeiten mit einer der auf der verlinkten Webseite beschriebenen Methoden aufwies. Wenn dies zutrifft, war also unter den dort agierenden militanten Aktivisten der Technik zum Bau von Brandsätzen mindestens seit dem Jahr 2000 bekannt. Sollten diese Aktivisten eine Gruppierung bilden, die auch im Jahr 2007 noch aktiv war, so war diese jedenfalls nicht auf mindestens siebenjähriger Verspätung eintreffende Informationen über den Bau von Brandsätzen angewiesen. Eine solche Informationsleistung zu bieten, wäre für ein Mitglied oder einen Unterstützer der eventuellen Gruppierung sinnlos. Neu – und also: informativ – kann die Information über den Bau von Brandsätzen allenfalls für Forenteilnehmer gewesen sein, die sich mit diesem Thema noch nie beschäftigt hatten, und die also keine Gruppierung mit dem Ziel der Durchführung von Brandanschlägen angehören dürfen.
    3. Der Ort der Äußerung war ein unverschlüsseltes Internetforum mit mehreren Hundert Teilnehmern. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein intelligenter Mensch, der über mindestens durchschnittliche EDV-Kenntnisse verfügen soll, sich mit Verschlüsselungstechnologien befasst haben soll, und der diese angeblich dazu eingesetzt haben soll, sich vor polizeilichen Ermittlungen abzuschirmen, in einem derartigen Forum über Brandanschläge sprechen würde, wenn er selbst einer Gruppierung angehörte, die derartige Anschläge durchgeführt oder geplant hat. Wer derartige Straftaten tatsächlich konspirativ begehen will (oder begangen hat), technisch versiert ist, und auf die Abschirmung vor polizeilichem Zugriff Wert legt, wird auf derartige Taten kaum vor größerem Publikum, unverschlüsselt, und noch dazu unter seinem echten Namen im Internet hinweisen.

3. Fazit

Die Naivität, mit der der Autor des inkriminierten Zitats seinen reaktiven Scherz über Brandanschläge in diesem Forum platzierte, ist mit der Vorstellung einer (überflüssigen) Informationsleistung eines versierten und vorsichtigen Mitglieds einer kriminellen Organisation (die ohnehin schon seit Jahren Wissen über den Bau von Brandsätzen gehabt hätte) schwerlich kompatibel. Die Äußerung ist stattdessen sehr wahrscheinlich als eine spontane, emotionale und wesentlich scherzhafte Kompensation empfundener kognitiver Dissonanzen in einem semi-privaten Kommunikationsrahmen zu werten.

9 Kommentare

Hallo Herr Kirchmaier,

herzlichen Dank für Ihre ausgezeichneten Prozessberichte. Eine Kleinigkeit möchte ich jedoch anmerken, da sich dieser Fehler in mittlerweile großer Anzahl durch alle Beiträge zieht. Wiedergeben im Sinne von über etwas berichten, was man selbst erlebt oder gehört hat, schreibt man immer mit ie im Gegensatz zu widerlegen, also etwas beweisen, was nicht richtig ist.

Diesen Hinweis bitte nicht veröffentlichen.

Mit besten Grüßen
Echinaforce

Hier kommen Erinnerungen an die seinerzeitgen Radiopiraten bei mir hoch. Hatte doch glatt die STAPO damals (vor mehr als 10 – 15 Jahren!) den Anwalt einer Piratengruppe als Mittäter (Beitragstäter) angezeigt. Beim Untersuchungsrichter hat sich dann herausgestellt, dass 1. das strafwürdige Mail gar nicht vom Anwalt stammt (From-Zeile) und 2. die Äusserung mit einem Smily versehen war.

liebe echinaforce (ja das versteh ich übrigens schon), richtig. obwohl das keine rechtschreibstunde ist (und wenn’s nur der eine Fehler ist, wäre er ja mithin korrigiert und gar nicht mehr schlimm) … nur eines: besser wäre es meines erachtens gewesen, einfach nur die schreibweise zu berichtigen. das mitgelieferte vergleichsbeispiel bzw. die erklärung als solche – hinkt nämlich.

gestriger Besuch im Österreichischen Konsulat von Stuttgart, Video online!

die Proteste gehen weiter!

Kann man irgendwo den Donnerstag (Tag 12) nachlesen von dieser Woche?

ps: Danke für die ausführlichen Berichte!

Die Richterin hat aber bisher alle Gutachten, die nicht vom Staatsanwalt oder ihr bestellt worden sind, einfach abgelehnt. So auch dieses.

Und die Richterin tut gut daran! Denn wenn sie dieses exzellente, klar und in allem nachvollziehbare Hamburger Gutachten lesen würde (mal vorausgesetzt, sie versteht es), könnte sie gleich die Hunderte E-Mails, die sie den Angeklagten inzwischen unter die Nase gehalten hat, der SOKO und dem Herrn Staatsanwalt zurückgeben, damit sich die damit ihren Allerwertesten wischen!

Ich fürchte allerdings, dass die weiterhin den Privatgesprächs-Charakter von Emails mit den ehernen Gesetzestafeln des Moses verwechseln. Und so werden die Angeklagten weiterhin die quälende Albernheit der Vorlage privater und aus dem Zusammenhang gerissener Mails ertragen müssen.

Ach ja??? DAS reicht, um jemanden als kriminell zu bezeichnen???

Ich möchte darauf hinweisen, dass es in unserem Sprachgebrauch Sprichwörter gibt, die ebenfalls einen EINDEUTIGEN BEWEIS eines kriminellen Täters liefern: Wer Äußerungen in der Art, jemanden auf den Mond schießen jemals in seinem Leben von sich gegeben hat, zeigt klar, gefährliche Gedanken zu hegen, kriminelle Handlungen begehen zu wollen und Experte in allen möglichen pyrotechnischen Angelegenheiten zu sein. Ja, es wuchert in Österreich nur so von Kriminellen Organisationen, die aus hochgefährlichen Einzeltätern bestehen. Ich danke der Wiener Staatsanwaltschaft für Ihr besonnenes und wohlüberlegtes Agieren.

Operation Spring 2.0

ich bin absolut sprachlos darüber, dass es tatsächlich solche gutachten benötigt, damit menschen wie richter und staatsanwälte, bei denen man eigentlich anhand ihrer akademischen ausbildung einen gewissen IQ vermuten können sollte, in der lage sind einfachste formulierungen in ihrer bedeutung zu begreifen.

genauso entsetzt bin ich über die tatsache, dass ich es nicht mehr wage meinen gewöhnlichen nick für kommentare wie diesen zu verwenden, da ich befürchten muss dies könnte irgendwann einmal gegen mich verwendet werden, um eine angebliche radikale gesinnung zu beweisen.