Tierschutzprozess 68. Tag
Freitag 4. Februar 2011
Inhalt:
Der heutige Prozesstag nahm eine völlig überraschende Entwicklung. Eigentlich war die mit Spannung erwartete Einvernahme des Polizeiführers Franz Raab von Spitzel 2, Codename VP 481, vorgesehen. Doch dann ergriff DI Völkl das Wort und verbrachte den gesamten Rest des Tages damit, seinen 100 Punkte umfassenden Befangenheitsantrag vorzutragen. Nach einer einstündigen Pause lehnte die Richterin den Antrag ab und schloss die Sitzung für den Tag. Den Zeugen hatte sie schon vorher nach Hause geschickt.
Am heutigen Tag waren wieder keine PolizeischülerInnen anwesend, aber gut 60 BesucherInnen wollten sich die Einvernahme des Führers des zweiten Spitzels nicht entgehen lassen. Von den Angeklagten fehlten 2. Der Prozesstag begann um 9:12 Uhr.
Diskussion über die Verlesung der polizeilichen Abschlussberichte
Die Richterin wollte von der Verteidigung wissen, wie es mit der Verlesung der Abschlussberichte stehe. DI Völkl sagte, er sei dagegen. Die Richterin meinte dazu, dass diese Verlesung aber für Strafverfahren völlig normal sei. Anwalt Mag. Bischof sagte, DI Völkl sei gegen die Verlesung, weil die Abschlussberichte völlig falsche Einschätzungen und Mutmaßungen der SOKO enthielten, nicht aber die originären Quellen. Dazu sagte die Richterin, dass man sich in dem Verfahren sowieso schon mit den Quellen beschäftigt habe, lauter Fadinger Emails seien bereits verlesen worden.
Anwalt Mertens meinte, die wortwörtliche Verlesung sei vielleicht gut, um sich gemeinsam anzuschauen, wo die SOKO Beweiswürdigung betreibe.
Antrag auf Freispruch nach § 278a
DI Völkl beantragte einen Freispruch für alle Angeklagten bzgl. der Anklage nach § 278a. Ob das Polemik sei, fragte die Richterin. Das Beweisverfahren sei immerhin noch nicht abgeschlossen. Es handle sich nicht um Polemik, antwortete DI Völkl. Die Richterin könne das Beweisverfahren jederzeit für abgeschlossen und beschlussreif betrachten, wenn sie einen Freispruch fällen wolle. Die Richterin forderte DI Völkls Anwalt Mag. Bischof auf, mit seinem Mandanten zu reden und die Sache zu erklären. Mag. Bischof führte aus, dass dieser Antrag nicht polemisch zu verstehen sei. DI Völkl habe den Eindruck, dass das Beweisverfahren gezeigt habe, dass es kein Indiz dafür gebe, dass § 278a erfüllt sei. DI Völkl meine es liege Spruchreife vor.
DI Völkl fügte an, dass er eine sofortige Entscheidung über diesen Antrag beantrage. Ich lasse mich darauf nicht ein
, sagte die Richterin. Erst müsse der Sachverständige über die Bekennerschreiben entscheiden, ob DDr. Balluch sie geschrieben habe.
Antrag auf Ausschluss der Richterin – Befangenheitsantrag
Dann, sagte DI Völkl, wolle er einen Antrag auf Ausschluss der Richterin stellen. Daraufhin begann er diesen vorzutragen. Der gesamte Antrag findet sich wortwörtlich hier: www.tierrechtsradios.at/files/Tierschutzprozess-Befangenheitsantrag-Sonja-Arleth.pdf
Im Laufe des Vortrags der Begründung für diesen Antrag wurde von 10:10 Uhr – 10:33 Uhr eine Verhandlungspause gemacht. Nach der Pause fragte die Richterin DI Völkl, ob er jetzt auch den Veltenartikel
vorlesen wolle. Sie bezog sich dabei auf einen Artikel von Univ.-Prof. Petra Velten, Vorständin vom Institut für Strafrecht der Universität Linz, den diese im Journal für Strafrecht JSt 6/2010, Seite 211-216 veröffentlicht hat. Der Artikel basiert auf dem Besuch von Prof. Velten im Gerichtssaal im Tierschutzprozess und enthält eine sehr harsche Kritik an der Verhandlungsführung durch die Richterin.
Mag. Bischof sagte, dass DI Völkl seinen Antrag schon begründen können müsse. Dazu meinte die Richterin: Bitte!
. Und DI Völkl setzte mit seinem Antrag bis Punkt 60 fort.
Mittagspause 11:58 Uhr – 12:46 Uhr.
Nach der Mittagspause fehlte ein weiterer Angeklagter wegen Krankheit. Die Richterin fragte DI Völkl, wie lange er noch fortfahren werde und ob sie den wartenden Zeugen heimschicken müsse. Das ist wahrscheinlich die richtige Entscheidung
, meinte DI Völkl. Dann fuhr er mit seinem Befangenheitsantrag fort.
Im Laufe seiner Antragsbegründung schob DI Völkl einen Zwischenantrag ein. Er wollte, dass ein Wandteppich im Gerichtssaal, der das Akronym AEIOU enthielt, entfernt werden solle, weil es sich um einen katholisch imperialistischen Spruch handle. Die Richterin schwieg. Also sagte DI Völkl, er erlaube sich anzunehmen, dass die Richterin sich diese Entscheidung vorbehalten werde. Auch diese richterliche Reaktion wolle er als weitere Begründung in seinen Befangenheitsantrag aufnehmen. Dann setzte DI Völkl mit seinem Vortrag fort.
Nachdem er geendet hatte gab es einen Applaus. Die Richterin sagte: Sind Sie zufrieden mit dem Applaus Herr DI Völkl?
. Das gehe ihn nichts an, antwortete dieser.
Antrag von Anwältin Dr. Lehner zu Protokollen weiterer Spitzel
Dr. Lehner sagte, DDr. Balluch sei bis gestern nicht in der gesicherten Kenntnis von der Identität von Spitzel 2 alias VP 481 gewesen. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Habitzl habe allerdings offenbar das Spitzelprotokoll bereits gekannt, weil er es in einer öffentlichen Äußerung für nicht relevant eingestuft habe. Das belege, dass der Staatsanwalt bereits vorher Kenntnis von der Vertrauensperson gehabt habe, die Verteidigung aber nicht. Dass DDr. Balluch in dieser Situation Recherchen zu der Vertrauensperson angestellt habe, sei daher zu Recht geschehen. Die Richterin hätte dem Staatsanwalt Vorwürfe machen müssen, nicht DDr. Balluch. Die Vertrauensperson sei offenbar immer noch aktiv, sonst hätte die Richterin von DDr. Balluchs Recherchen nichts erfahren. Die Richterin behandle ZeugInnen des Staatsanwalts ganz anders als ZeugInnen der Verteidigung.
Deshalb stellte Dr. Lehner den Antrag, der Staatsanwalt solle erstens bekannt geben, ob ihm die Protokolle der verdeckten Ermittlerin und der Vertrauensperson bekannt waren. Zweitens solle die SOKO sagen, ob weitere verdeckte ErmittlerInnen oder Vertrauenspersonen eingesetzt wurden oder werden und ob das der Staatsanwaltschaft ebenfalls bekannt gewesen sei. Drittens solle die SOKO bekannt geben, auf welcher Rechtsgrundlage diese Ermittlungen stattgefunden hätten. Viertens sollen bejahendenfalls die Berichte dieser weiteren Spitzel unverzüglich vorgelegt werden. Fünftens möge das Gericht der Kriminalpolizei, dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung und den Landesämtern für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung auftragen, innerhalb weniger Tage alle weiteren Spitzelermittlungen bekannt zu geben und deren Berichte vorzulegen. Dieser Antrag werde beweisen, dass es keine kriminelle Organisation gebe. Über den Antrag möge sofort entschieden werden.
Dann erklärten alle AnwältInnen unisono, dass sie sich dem Befangenheitsantrag von DI Völkl anschließen würden.
Der Staatsanwalt sagte, er habe die Protokolle der verdeckten Ermittlerin und der Vertrauensperson wie die Verteidigung in der Verhandlung überreicht bekommen. Ein Angeklagter kommentierte, dass das aber nicht heiße, ob er nicht vorher davon gewusst habe.
Die Richterin sagte, sie brauche eine Pause um über diese Anträge zu entscheiden.
Pause 13:54 Uhr – 15:07 Uhr.
Ablehnung sämtlicher Befangenheitsanträge durch die Richterin
Nach der Pause erklärte die Richterin, dass sie sämtliche Anträge auf Befangenheit gegen sie abweise. Es würden keine Gründe vorliegen, die die Unbefangenheit der Richterin in Zweifel ziehen würden. Es sei unrichtig, dass die Richterin eine Verurteilung anstrebe. Die Richterin habe keine Wahrsagerkugel. Einige ZuschauerInnen schmunzelten bei dieser Aussage, da auf einem Tisch mitten im Gerichtssaal und von der Richterin abgewandt ein großes Bild des Künstlers und Angeklagten Chris Moser stand, das die Richterin mit Wahrsagerkugel zeigte.
Die Richterin sagte von ihr selbst, dass sie keine vorausgreifende Beweiswürdigung vornehmen würde. Alle Protokolle und Aktenteile seien sofort weitergegeben worden. Die Richterin habe die Pflicht dafür zu sorgen, dass keine sinnlosen Gespräche die Verhandlung verzögern würden. Die Richterin sei der Objektivität verpflichtet und komme dieser Verpflichtung nach bestem Wissen und Gewissen nach.
Es gebe keine selektive Öffentlichkeit in diesem Verfahren, auch die PolizeischülerInnen würden eine Öffentlichkeit sein. Im Übrigen habe es eine parlamentarische Anfrage zu den PolizeischülerInnen gegeben und das Justizministerium habe deren Besuch für rechtens erachtet.
Zeichen von Missbilligung und Beifall im Publikum seien untersagt, sie müsse in solchen Fällen eingreifen. Das Essen und Zeitungslesen durch Angeklagte stehe im Widerspruch zum Respekt, den sie dem Gericht schulden würden. Die Richterin habe keine Entscheidungsbefugnis über die PolizeischülerInnen.
Die Kameras im Gerichtssaal würden nur filmen, wenn man einen Alarmknopf drücke. Das sei bisher noch nicht geschehen.
Zu Prof. Velten führte die Richterin aus, dass grundsätzlich zwar eine Kritik an der Prozessführung eines Gerichts zulässig sei, dass aber die Richtervereinigung bereits rechtliche Schritte gegen Prof. Velten eingeleitet habe.
Die Befragung von ZeugInnen dürfe nicht irrelevant sein und es dürfe keine unrichtigen Vorhalte geben. Dafür müsse sie als Richterin sorgen.
Zahlreiche Punkte von DI Völkl seien bereits in der Hauptverhandlung abgehandelt worden. Die Entscheidung über Beweisanträge dürfe vorbehalten werden. Es gebe in diesem Verfahren sehr viele Beweisanträge, und die Richterin müsse prüfen, ob sie erhebliche Tatsachen betreffen.
Dieser außergewöhnliche Prozess verlange eine flexible Vorgangsweise. Die Verteidigung habe ausreichend Zeit gehabt, sich auf die Verhandlung vorzubereiten.
Das Kreuz zu entfernen habe sie abgelehnt, weil das nicht vorgesehen sei. Den Antrag auf Entfernung des Wandteppichs AEIOU weise sie auch zurück, da ein derartiger Antrag in der Strafprozessordnung nicht vorgesehen sei.
Sie sei nicht Mitglied in einem Polizeischießverein, erklärte die Richterin dann. Sie habe lediglich einmal bei einem Schießen mitgemacht und dabei ihre Munition selbst bezahlt. Es sei um einen guten Zweck gegangen.
Zum Antrag von Dr. Lehner
Zu Dr. Lehners Antrag sagte die Richterin, sie müsse nicht nachforschen, wann der Staatsanwalt welche Berichte zu Gesicht bekommen habe. Der Staatsanwalt habe aber sowieso gesagt, dass er die Berichte der verdeckten Ermittlerin und der Vertrauensperson nicht gehabt habe.
Die Richterin versicherte aber dann, dass sie noch einmal eine Anfrage an die SOKO stellen werde, ob es weitere verdeckte ErmittlerInnen oder Vertrauenspersonen gegeben habe.
Ende 15:23 Uhr.